Geschichtliches über den Spiritismus
Aus dem Buch „Der Spiritismus in seinem einfachsten Ausdruck“ von Allan Kardec
Gegen das Jahr 1850 wurde in den Vereinigten Staaten Amerikas die Aufmerksamkeit auf verschiedene fremde Erscheinungen gelenkt, die darin bestanden, dass Gegenstände zu klopfen und sich zu bewegen anfingen, zuweilen auch ein Geräusch vernehmen ließen, ohne dass man die Veranlassung dazu angeben konnte.
Diese Erscheinungen fanden oft unwillkürlich mit einer Heftigkeit und sonderbaren Beharrlichkeit statt; zugleich bemerkte man, dass sie vornehmlich unter dem Einfluss gewisser Personen, welche man mit dem Namen „Medium“ bezeichnete, erzeugt wurden, und dass letztere die Erscheinungen sozusagen durch ihren Willen hervorrufen konnten, wodurch die Wiederholung des Experimentes ermöglicht war.
Man bediente sich zu diesem Zweck besonders der Tische, nicht etwa, weil dieser Gegenstand geeigneter ist als ein anderer, sondern deshalb, weil der Tisch beweglich, bequemer ist, und weil man leichter und ungezwungener bei einem Tisch sitzt als bei einem anderen Zimmergeräte.
Man erzielte auf diese Art, dass der Tisch sich umdrehte, nach allen Richtungen hin sich bewegte, sprang, umstürzte, sich erhob und heftig zu klopfen begann, usw.; und diese Erscheinung war es, welche man Anfangs
mit dem Namen „Tischrücken“ oder „Tischtanzen“ bezeichnete.
Bis dahin mochte die Annahme zur Geltung gelangen, dass diese Erscheinung durch einen elektrischen oder magnetischen Strom oder durch ein unbekanntes Fluidum hervorgebracht werde, und dies war auch die erste Meinung, welche man darüber hatte.
Man zögert auch nicht in diesen Erscheinungen intelligente Wirkungen zu erkennen: so gehorchte die Bewegung dem Willen, der Tisch wendete sich nach rechts oder nach links, einer bestimmten Person zu, erhob sich auf einem oder zwei Füßen, klopfte die Anzahl der geforderten Schläge, schlug den Takt usw.
Es wurde bald klar, dass die Ursache davon nicht eine rein physische war, und nach dem Axiom:
Wenn jede Wirkung eine Ursache hat, so muss jede geistige Wirkung auch eine geistige Ursache haben, schloss man, dass die Ursache dieser Erscheinung ein geistiges Wesen sein musste.
Worin bestand nun die Natur dieses geistigen Wesens? Das war die Frage. Es tauchte zuerst der Gedanke auf, dass dies alles nur ein Reflex des Geistes von Seiten des Mediums oder der Anwesenden sein könnte, aber die Erfahrung bewies bald die Unhaltbarkeit dieser Ansicht, denn man gelangte zu Tatsachen, welche gänzlich außer dem Bereich des Denkens und des Wissens der anwesenden Personen und sogar in Widerspruch mit ihren Ideen, Willen und Wünschen waren. Es konnte demnach die Natur dieses Wesens nur einem unsichtbaren Wesen angehören.
Das Mittel, um die Natur dieses Wesens zu ergründen, bestand darin, mit diesem Wesen in Unterredung zu treten. Dies geschah durch eine Anzahl von Schlägen, welche dem Übereinkommen gemäß „Ja“, „Nein“ bedeuten, oder die Buchstaben des Alphabetes bezeichneten.
Auf diese Art erhielt man Antworten auf verschiedene Fragen, welche man diesem Wesen stellte.
Diese Erscheinung wurde mit dem Namen „sprechende Tische“ bezeichnet. Alle Wesen, welche sich auf dieser Art offenbarten, gaben über die Anfrage hinsichtlich ihrer Wesenheit an, dass sie Geister seien und der unsichtbaren Welt angehören. Dieselben Wirkungen wurden an sehr vielen Orten durch Vermittlung verschiedener Personen hervorgebracht, und übrigens von sehr aufrichtigen und aufgeklärten Menschen beobachtet, es war also nicht möglich, dass man das Spielzeug einer Illusion war.
Aus Amerika verpflanzte sich diese Erscheinung nach Frankreich und nach den übrigen europäischen Staaten, wo das Tischrücken durch einige Jahre Mode war und in den Salons zur Unterhaltung diente, bis man dessen überdrüssig wurde und zu einer anderen Unterhaltung überging.
Die Erscheinung gewann bald ein neues Ansehen, welches sie aus dem Bereich der einfachen Neugierde hervorhob. Der Raum dieser kleinen Schrift erlaubt uns nicht die einzelnen Phasen durchgehen; wir gehen gerade zu dem Wesentlichen über, was die Aufmerksamkeit der ernsthaften Personen fixierte.
Im Vorhinein bemerken wir, dass Viele die Wirklichkeit dieser Erscheinungen leugneten. Einige, welche die Uneigennützigkeit und Ehrwürdigkeit der Prüfenden nicht berücksichtigen, sahen in diesem nur eine Gaukelei, ein geschicktes Taschenspielerstück.
Andere, welche außer der Materie nichts zulassen, nur an die sichtbare Welt glauben, und meinen, es stürbe alles mit dem Körper, die Materialisten mit einem Wort, die starken Geister, wie sie sich nennen, verwiesen die Existenz der unsichtbaren Geister in den Bereich der absurden Fabeln; sie nannten auch Narren diejenigen, welche die Sache ernst nahmen und überhäuften sie mit Spott und Witz.
Andere, welche die Tatsachen nicht in Abrede stellen konnten, schrieben von einem gewissen Ideengang beherrscht diese Erscheinungen dem ausschließlichen Einfluss des Teufels zu, und suchten durch dieses Mittel die Furchtsamen zu erschrecken. Aber heutzutage hat die Furcht vor dem Teufel sonderbarer Weise ihr Blendwert verloren, man hat so viel von ihm gesprochen, man hat ihn auf so mannigfaltige Weise gemalt, dass man sich mit dieser Idee vertraut machte, und dass Viele sich dahin äußerten, man müsse die Gelegenheit benutzen, um zu sehen, was er in der Wirklichkeit sei.
Es geschah, dass, mit Ausnahme einer kleinen Anzahl furchtsamer Frauen, die Verkündigung der Ankunft des wahren Teufels etwas Anziehendes für diejenigen hatte, welche denselben bisher nur in Bildern und auf dem Theater gesehen hatten. Dies war für viele Leute ein starker Reiz, so dass diejenigen, welche durch dieses Mittel neuen Ideen Schranken setzen wollten, ihrem Zweck entgegenwirkten, und ohne ihren Willen desto wirksamere Verbreiter wurden, je leidenschaftlicher sie früher dagegen geeifert hatten. Die anderen Kritiker hatten auch nicht mehr Erfolg, weil sie den bewiesenen Tatsachen, den kategorischen Beweisen nichts als Negationen entgegenstellen konnten.
Man lese, was sie veröffentlicht haben, und man wird überall den Beweis der Unwissenheit, den Mangel an ernsten Beobachtungen der Tatsachen und nirgends eine entscheidende Beweisführung über die Unmöglichkeit derselben finden. Ihr ganzes Argument fasst sich kurz, wie folgt: „Ich glaube das nicht, also, kann es nicht sein; alle, die daran glauben, sind Narren, wir allein haben das Privileg der Vernunft und des Verstandes.“
Die Zahl der Anhänger, welche durch ernste und launige Kritik dafür gewonnen wurden, ist unberechenbar, weil man überall in dieser Hinsicht nur persönliche Ansichten, ohne alle Gegenbeweise findet. Kehren wir zur Sache zurück.
Die Mitteilungen der Geister durch Klopfen waren langsam und unvollständig. Man fand, dass durch Anbringung eines Bleistiftes an einen beweglichen Gegenstand, an ein Körbchen, Brettchen oder etwas anderes, über welches man die Finger legte, dieser Gegenstand sich in Bewegung setzte und Buchstaben zeichnete.
Später erkannte man, dass diese Gegenstände nur eine Zutat sind, welche man entbehren kann. Die Erfahrung lehrte, dass der Geist, welcher auf einen trägen Körper einwirkt, um ihn nach seinem Willen zu lenken, ebenfalls auf den Arm und die Hand wirken könne, um den Bleistift zu führen. Man hatte demnach schreibende Medien, d.h. Personen, welche auf eine unwillkürliche Art auf Antrieb der Geister schreiben, und auf diese Art als Werkzeuge und Dolmetscher derselben handeln.
Seit dieser Zeit hatten die Mitteilungen der Geister keine Schranken mehr, und der Gedankenaustausch konnte mit eben der Schnelligkeit und Entwicklung geschehen, wie unter Lebenden. Da war nun ein weites Feld geöffnet für die Forschung, das war die Entdeckung einer neuen Welt: der Welt des Unsichtbaren; so wie das Mikroskop die Welt des unendlich Kleinen entdecken ließ.
Wer sind diese Geister? Welche Rolle spielen sie in dem Universum? Zu welchem Zwecke offenbaren sie sich dem Sterblichen? Das sind die ersten Fragen, um deren Auflösung es sich handelte.
Man wusste bald durch die Geister selbst, dass sie keineswegs Ausnahmewesen in der Schöpfung, sondern die Seelen derjenigen waren, welche auf diese Erde, oder in einem anderen Weltkörper gelebt haben, dass diese Seelen, nachdem sie ihre körperliche Hülle abgelegt haben, den Raum bewohnen und ihn durchwandern.
Es war nicht mehr erlaubt daran zu zweifeln als man unter diesen seine Eltern und Freunde erkannte, mit welchen man sich unterhalten konnte; als diese kamen, um uns den Beweis ihrer Existenz zu geben, um uns zu beweisen, dass nichts an ihnen abgestorben ist, als der Körper, dass ihre Seele oder ihr Geist immer lebt, dass sie da sind neben uns, uns sehen oder beobachten, und so wie bei ihren Lebzeiten mit ihren Sorgen diejenigen umgeben, welche sie geliebt haben und deren Andenken für sie eine sanfte Freude ist.
Man hat im Allgemeinen eine falsche Idee von den Geistern; sie sind nicht, wie viele es sich vorstellen, abstrakte, vage und unbestimmte Wesen, auch nicht etwas Derartiges wie ein Schein oder Funke; es sind im Gegenteil sehr reelle Wesen, welche ihre Individualität und eine bestimmte Form haben.
Man kann sich in dieser Hinsicht eine annähernde Vorstellung durch Nachfolgende Erklärung machen.
Es gibt im Menschen drei wesentlichen Dingen:
1. Die Seele oder der Geist, ein intelligentes Prinzip, in welchem der Gedanke, der Wille und der moralische Sinn ihren Sitz haben.
2. Der Körper, eine materielle, schwere und grobe Hülle, welche den Geist mit der Außenwelt in Verkehr setzt.
3. Der Perisprit (Geisterhülle), eine fluidale1, leichte Hülle, welche als Verbindungsmittel zwischen dem Geist und dem Körper dient.
Wenn die äußere Hülle abgenutzt ist und nicht mehr ihren Dienst versehen kann, so fällt sie zusammen, und der Geist legt sie ab, wie die Frucht sich von ihrem Gehäuse, der Baum von seiner Rinde befreit, mit einem Wort, man legt das alte Kleid ab, welches außer Gebrauch gekommen ist. Das ist, was man den Tod nennt.
Der Tod ist demnach nichts anderes als die Zerstörung der groben Hülle des Geistes; der Körper allein stirbt, der Geist vergeht nicht.
Während des Lebens ist der Geist in mancher Hinsicht durch das Band der Materie, mit welcher er vereint ist und welche oft seine Fähigkeiten lähmt, gedrückt; der Tod des Körpers befreit ihn von seinen Fesseln; er entledigt sich derselben und findet seine Freiheit wieder, wie der Schmetterling, der aus der Puppe hervorgeht.
Doch er verlässt nur den materiellen Körper: er behält den Perisprit, welcher für ihn eine Art ätherischen, dunstartigen, für uns unwägbaren Körper bildet, welcher die menschliche Form besitzt, und die typische Form zu sein scheint. In seinem normalen Zustand ist der Perisprit unsichtbar, aber der Geist kann ihm gewisse Modifikationen erteilen, welche ihn momentan dem Gesichtsorgan, ja selbst dem Gefühl zugänglich machen, wie dies bei dem verdichteten Dampf stattfindet.
Auf diese Art können die Geister sich uns in den Erscheinungen zeigen. Mit Hilfe des Perisprit wirkt demnach der Geist die träge Materie und bringt die verschiedenen Erscheinungen des Lärmens, der Bewegung, des Schreibens usw. hervor.
Die Schläge und die Bewegungen sind für die Geister die Mittel, um ihre Gegenwart zu bezeugen und die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, gerade so wie eine Person klopft, um anzuzeigen, dass jemand da ist. Es gibt unter ihnen solche, welche sich nicht auf ein mäßiges Geräusch beschränken, sondern sogar einen förmlichen Lärm machen, ähnlich jenem, der durch Zerbrechen des Tischgeschirrs, durch Öffnen oder Schließen der Türe, oder durch Umstürzen der Möbel entsteht.
Mit Hilfe der Schläge und der übereingekommenen Bewegungen haben die Geister ihre Gedanken ausdrücken können, allein die Schrift bietet ihnen hierzu das vollständigste, schnellste und bequemste Mittel; auch ist es dasjenige, welches sie vorziehen.
Aus demselben Grund, aus welchem sie Buchstaben zeichnen können, sind sie im Stand die Hand zu führen, um Zeichnungen zu machen, Musikstücke zu Schreiben, auf einem Instrument zu spielen; mit einem Wort, bei Ermangelung ihres eigenen Körpers, den sie nicht mehr haben, bedienen sie sich jenes des Mediums, um sich den Menschen auf eine fühlbare Art zu manifestieren.
Die Geister können sich auch auf verschiedene andere Art manifestieren, z. B. dem Auge, dem Gehör. Gewisse Personen, nämlich hörende Medien genannt, haben die Fähigkeit sie zu hören und können demnach mit ihnen sprechen; andere sehen die Geister, das sind die sehenden Medien.
Die Geister, welche sich dem Auge manifestieren, stellen sich im Allgemeinen unter einer Form vor, welche jener, die sie zur Lebenszeit hatten, ähnlich, jedoch dunstartig ist. Bald hat diese Form allen Anschein eines lebenden Wesens, der Art, dass sie eine vollständige Täuschung hervorbringen kann, und dass man sie oft für Personen mit Fleisch und Knochen gehalten, mit welchen man sprechen und Händebrücke wechseln konnte, ohne zu vermuten, dass man mit Geistern verkehrte, außer wenn sie plötzlich verschwanden.
Die beständige und allgemeine Erscheinung der Geister ist sehr selten, aber die individuellen Erscheinungen sind ziemlich häufig, besonders im Augenblick des Todes; der frei gewordene Geist scheint sich zu beeilen seine Eltern, Verwandten und Freunde zu besuchen, als wenn er sie benachrichtigen wollte, dass er soeben die Erde verlassen hat, und ihnen zu sagen, dass er immer lebt.
Möge jeder seine Erinnerungen sammeln und man wird sehen, wie viele authentische derartige Tatsachen, die man sich nicht zu erklären wusste, nicht nur bei der Nacht wahrend des Schlafes, sondern beim hellen Tage und im Zustande des vollkommenen Wachens stattgefunden haben.
Ehemals hat man diese Tatsachen für übernatürlich und für Wunder aufgesehen und der Magie und der Zauberkunst zugeschrieben; heutzutage werden sie von Ungläubigen auf Rechnung der Einbildungskraft gesetzt. Allein seitdem die spiritistische Wissenschaft hierzu den Schlüssel gegeben hat, weiß man, wie sie entstehen und dass sie aus der Ordnung der natürlichen Erscheinungen nicht heraustreten.
Man glaubt auch, dass die Geister bloß dadurch, weil sie Geister sind, die höchste Kenntnis und die höchste Weisheit besitzen müssen. Dies ist ein Irrtum, welchen die Erfahrung bald bewiesen hat. Unter den von den Geistern gemachten Mitteilungen gibt es solche, welche an Tiefe, Beredsamkeit, Weisheit, Moral, erhaben sind und die nur Güte und Gewogenheit atmen, aber nebenbei gibt es auch sehr niedrige, leichte, gemeine, ja selbst grobe, durch welche der Geist den verderbtesten Charakter offenbart.
Es ist demnach klar, dass diese Mitteilungen nicht aus einer und derselben Quelle abstammen können, und dass, wenn es einerseits gute Geister gibt, so gibt es auch andererseits böse.
Die Geister, welche nichts anderes sind als die Seelen der Menschen, können natürlich beim Verlassen ihres Körpers nicht sogleich vollkommen werden; und bis sie Fortschritte gemacht haben, behalten sie die Unvollkommenheiten des körperlichen Lebens; deshalb sieht man auch bei ihnen alle Abstufungen der Güte und der Bosheit, des Wissens und der Unwissenheit.
Die Geister offenbaren sich im allgemeinen mit Freude und dies ist für sie ein Vergnügen, wenn sie sehen, dass man sie nicht vergessen hat; sie beschreiben gerne die Eindrücke, welche sie beim Verlassen der Erde empfunden haben, ihre neue Lage, die Beschaffenheit ihrer Freuden oder ihre Qualen in dem Weltkörper, wo sie sich befinden: die einen sind sehr glücklich, andere unglücklich, manche stehen furchtbare Qualen aus, je nach der Art wie sie gelebt, und eine gute oder schlechte, nützliche oder unnützliche Anwendung des Lebens gemacht haben.
Bei ihrer Beobachtung in allen Phasen ihrer neuen Existenz, nach der Stellung, welche sie auf der Erde eingenommen haben, nach ihrer Todesart, ihren Charakter und ihren Gewohnheiten als Menschen, erhält man, wenn gleich kein vollständiges, doch ein getreues Abbild der unsichtbaren Welt; und das genügt, um unseren künftigen Zustand zu begreifen und das glückliche oder unglückliche Schicksal, welches uns dort erwartet, zu ahnen.
Die von den hohen Geistern mitgeteilten Belehrungen, über alle Umstände, welche das menschliche Wesen betreffen, die Antworten, welche sie auf die ihnen gestellten Fragen gemacht haben, wurden sorgfältig gesammelt und geordnet und begründen eine ganze Wissenschaft, eine ganze moralische und philosophische Lehre unter dem Namen Spiritismus.
Der Spiritismus ist demnach die Wissenschaft, welche sich auf die Existenz, die Manifestationen und die Lehre der Geister gründet.
Diese Lehre findet man vollständig durchgeführt, in Betreff der philosophischen Seite in dem Buch der Geister, in Betreff der praktischen und experimentellen Seite in dem Buch der Medien, und in Betreff der moralischen Seite in dem Evangelium im Lichte des Spiritismus, von demselben Verfasser. Man kann durch die bis zum Ende dieser Schrift durchgeführte Analyse des Inhaltes oben genannter Werke, über die Verschiedenheit, Umfang und Wichtigkeit der Gegenstände, welche diese Lehre umfasst, urteilen.
Wie die Erfahrung lehrte, hat der Spiritismus seinen Ausgangspunkt in der gemeinen Erscheinung des Tischrückens; da jedoch diese Tatsachen mehr zum Auge als zum Verstand sprechen, da sie mehr die Neugierde als das Gefühl erregen, so hat man nach befriedigter Neugierde sich für dieselben um so weniger interessiert, als man sie nicht begriffen hat. Dieses war jedoch nicht mehr der Fall, als die Theorie hinzukam, um die Ursache hiervon zu erklären.
Als man insbesondere gesehen hat, dass aus diesen drehenden Tischen, mit denen man sich einen Augenblick unterhielt, eine ganze moralische Wissenschaft hervorging, eine Lehre, die zur Seele sprach, die alle Angst des Zweifels vertrieb, die jeden Wunsch, welcher durch ungenügende Belehrung über die Zukunft des Menschen im Dunkel blieb, befriedigte: da haben die ernsten Menschen diese neue Lehre als eine Wohltat aufgenommen, und seitdem ist sie, weit entfernt zu verschwinden, mit einer unglaublichen Schnelligkeit gewachsen.
In einem Zeitraum von 3-4 Jahren hat diese Lehre in allen Ländern der Welt und besonders unter den aufgeklärten Menschen eine Unzahl von Anhängern vereinigt, welche von Tag zu Tag in einem außerordentlichen Verhältnis zunimmt; so dass man heutzutage sagen kann, der Spiritismus habe das Bürgerrecht erworben.
Er stützt sich auf Grundlagen, welche den Anstrengungen seiner mehr oder weniger interessierten Gegner Trotz bieten; und der sicherste Beweis hiervon ist, dass die Angriffe der Kritiken nicht einen Augenblick seinen Gang aufgehalten haben; dies ist eine Tatsache, welche die Erfahrung darbietet, und welche die Gegner niemals sich zu erklären wussten. Die Spiritisten sagen ganz einfach, dass, wenn diese Lehre sich trotz der Kritik verbreitet hat, so ist es, weil man sie für gut hält, ihre Erklärungen gut findet und denjenigen ihrer Gegner vorzieht.
Der Spiritismus ist keineswegs eine neue Erfindung. Die Tatsachen und Prinzipien, auf welchem er beruht, reichen bis in das graue Altertum zurück; denn man findet davon Spuren in dem Glauben aller Völker, in allen Religionen, in den meisten geistlichen und weltlichen Schriftstellern; nur die unvollständig beobachteten Tatsachen hat man oft nach den abergläubischen Ideen der Unwissenheit ausgelegt, und nicht daraus alle Folgerungen gezogen.
In der Tat gründet sich der Spiritismus auf das Dasein der Geister, doch da die Geister nichts weiter als die Seelen der Menschen sind, gibt es auch Geister, seit es Menschen gibt.
Der Spiritismus hat sie weder entdeckt noch erfunden. Wenn die Seelen und Geister sich den Lebenden offenbaren können, so geschieht es, weil es in der Natur liegt, und folglich können sie es zu allen Zeiten getan haben; auch findet man zu allen Zeiten und überall Beweise dieser Offenbarungen, welche besonders in den biblischen Erzählungen zahlreich vorkommen.
Das, was an dieser Sache neu ist, das ist die logische Erklärung der Tatsachen, eine vollkommenere Kenntnis der Natur der Geister, ihre Rolle und ihrer Handlungsart, die Aufklärung über unseren zukünftigen Zustand, endlich ihr Bestehen als Wissenschaft und Lehre, und ihre Anwendung auf das gegenwärtige oder zukünftige Glück des Menschen.
Die Alten kannten das Prinzip, die Neuen kennen die Einzelheiten. Im Altertum war das Studium dieser Erscheinungen ein Privileg gewisser Kasten, welche dieselben nur den in die Mysterien Eingeweihten mitteilten; im Mittelalter wurden diejenigen, welche sich auffallend damit befassten, als Zauberer betrachtet und verbrannt; allein heutzutage gibt es für niemanden Geheimnissen und man verbrennt auch keinen Menschen mehr. Alles geschieht bei hellem Tag, und jeder ist im Stande sich aufzuklären und sich praktisch auszuführen, denn die Medien finden sich überall, und jeder kann mehr oder weniger selbst ein Medium sein.
Die Lehre, welche uns die Geister heutzutage vermitteln, enthält nichts Neues. Man findet sie in Bruchstücken bei den meisten Philosophen Indiens, Ägyptens und Griechenlands und ganz vollständig in der Lehre Christi.
Was will nun der Spiritismus? Er bekräftigt durch neue Zeugnisse, beweist durch Tatsachen die unbekannten oder schlecht verstandenen Wahrheiten, führt zu ihrem wahren Sinn jene wieder zurück, die entweder schlecht
ausgelegt, oder mit Willen entstellt wurden.
Der Spiritismus lehrt nichts neues, das ist wahr; allein ist es denn nichts, auf eine offene unverwerfliche Art des Daseins der Seele, ihr Fortleben nach dem Körper, ihre Beschaffenheit nach dem Tode, ihre Unsterblichkeit, die zukünftigen Strafen oder Belohnung zu beweisen? Wie viele Menschen glauben an diese Dingen, allein sie glauben daran nicht mit voller Zuversicht und sagen zu sich selbst: „Wenn dies dennoch nicht wäre!“ Wie viele wurden zum Unglauben verleitet, weil man ihnen die Zukunft unter einem Bild dargestellt hat, welches ihre Vernunft nicht zulassen konnte!
Ist das für den wankenden Gläubigen gar nichts, wenn er sich sagen kann: „Jetzt bin ich gewiss“ und für den Blinden, wenn er wieder das Licht erblickt? Der Spiritismus wird durch Tatsachen und durch seine Logik jede Angst des Zweifels zerstreuen und den Verirrten zum Glauben zurückführen, in dem er uns das Dasein der unsichtbaren, uns umgehenden Welt offenbart, in deren Mitte wir, ohne es zu wissen, leben; er lehrt uns durch das Beispiel jener, die gelebt haben, die Bedingungen unseres zukünftigen Glückes oder Unglückes kennen; er erklärt uns den Grund unserer Leiden auf Erden und gibt uns die Mittel an, sie zu mildern. Seine Verbreitung wird die Vernichtung der materialistischen Lehren zur unausweichlichen Folge haben, welche der offenbaren Gewissheit nicht widerstehen können.
Überzeugt von der Größe und Wichtigkeit des künftigen Daseins, welches ewig ist, vergleicht der Mensch dasselbe mit der Ungewissheit des irdischen Lebens, welches so kurz ist, und erhebt sich durch seine Gedanken über alle kleinlichen menschlichen Rücksichten; indem er die Ursache und den Zweck seiner Leiden kennt, erträgt er selbe mit Geduld und Fassung, weil er weiß, dass sie ein Mittel sind, um zu einem besseren Zustand zu gelangen. Das Beispiel jener, welcher von jenseits kommen, um uns ihre Freuden und Schmerzen zu beschreiben, beweist die Wirklichkeit des künftigen Lebens, und zugleich, dass die Gerechtigkeit Gottes kein Laster ohne Strafe, keine Tugend ohne Belohnung lässt. Fügen wir noch endlich bei, dass der Verkehr mit dem geliebten Wesen, welche wir verloren haben, einen süßen Trost verschafft, indem er den Beweis liefert, nicht nur, dass sie existieren, sondern dass wir von ihnen weniger getrennt sind, als wenn sie in einem
fremden Land lebten.
Kurz, der Spiritismus lindert die Bitterkeit der Kümmernisse des Lebens, er beruhigt die Verzweiflung und die heftigen Erregungen der Seele, vertreibt die Ungewissheit und die Schrecken der Zukunft, hält den Gedanken, sich das Leben durch Selbstmord zu verkürzen, ferne, und macht hierdurch jene glücklich, die sich ihm ergeben; das ist das große Geheimnis seiner raschen Verbreitung.
Was den religiösen Gesichtspunkt anbetrifft, so hat der Spiritismus die Grundwahrheiten aller Religionen zur Basis: Gott, die Seele, die Unsterblichkeit, die künftigen Strafen und Belohnungen; aber er ist unabhängig von jedem besonderen Kult. Sein Zweck ist, denjenigen, welche leugnen oder zweifeln, zu beweisen, dass die Seele existiert; dass sie dem Körper überlebt; dass sie nach dem Tode die Folgen des Guten und des Schlechten, welches sie während des körperlichen Lebens getan hat, ertragen muss. Dies aber gehört zu allen Religionen.
Als Glaube an die Geister gehört er ebenfalls allen Religionen sowie allen Völkern an, da überall, wo es Menschen gibt, es auch Seelen und Geister gibt; und weil die Offenbarungen sich in allen Religionen ohne Ausnahme vorfinden. Man kann demnach griechisch- oder römisch-katholisch, Protestant, Jude oder Moslem sein und dennoch an die Offenbarungen der Geister glauben und folglich ein Spiritist sein. Der Beweis davon ist, dass der Spiritismus Anhänger in allen Religionen hat.
Was die Moral betrifft, so ist er wesentlich christlich, weil diejenige, welche er lehrt, nur die Entwicklung und Anwendung der Moral Christi ist, welche die reinste von allen ist und deren Vorzüglichkeit von Niemanden bestritten werden kann, ein evidenter Beweis, dass sie das Gesetz Gottes ist, die Moral aber ist zum Gebrauch der ganzen Welt.
Der Spiritismus ist unabhängig von jeder Kultform, schreibt auch keine vor, und beschäftigt sich mit keinem besonderen Dogma, daher er keine besondere Religion bildet, denn er hat weder Priester noch Tempel. Jenen, welche fragen, ob sie guttun, wenn sie dieser oder jener Übung folgen, gibt er zur Antwort: „Wenn ihr glaubt, dass euer Gewissen euch dazu veranlasst, tut es: Gott weiß immer die Absicht zu schätzen.“ Er drängt sich, mit einem Wort, niemandem auf, er wendet sich nicht an diejenigen, welche den Glauben haben und denen dieser Glaube genügt, sondern an die zahlreiche Kategorie der Zweifler und Ungläubigen; er entführt sie nicht der Kirche, von der sie schon moralisch ganz oder teilweise getrennt sind: er leitet sie im Gegenteil bis zum Dreiviertelteil des zu ihr zurückführenden Weges; ihr kommt es zu, das Übrige zu tun.
Es ist wahr, der Spiritismus bekämpft gewisse Glaubenspunkte, so jene von der Ewigkeit der Strafen, von dem materiellen Feuer der Hölle, von der Persönlichkeit des Teufels usw.; aber ist es nicht gewiss, dass diese Glaubensartikel, als absolut aufgestellt, zu allen Zeiten Ungläubige gemacht haben und noch immer machen?
Wenn der Spiritismus durch eine rationelle Auslegung dieser und gewisser anderer Dogmen die Verirrten zum Glauben zurückführt, leistet er nicht der Religion einen Dienst? Ein ehrwürdiger Geistlicher sagte in dieser Hinsicht: „Der Spiritismus macht, dass man an etwas glaubt; nun wohlan, es ist besser an etwas zu glauben als an gar nichts.“
Da die Geister nichts anderes als die Seelen sind, so kann man die Geister nicht leugnen ohne die Seele zu leugnen. Wenn man die Seelen oder Geister annimmt, so lässt sich die Frage auf ihren einfachsten Ausdruck folgendermaßen zurückführen: Können die Seelen der Verstorbenen sich den Lebenden mitteilen? Der Spiritismus beweist die Bejahung durch materielle Tatsachen.
Welchen Beweis kann man davon geben, dass dies nicht möglich sei? Wenn es so ist, so werden alle Verneinungen der Welt nicht hindern, dass es so sei; denn es ist kein System, keine Theorie, sondern ein Naturgesetz. Gegen die Naturgesetze aber ist der Wille des Menschen ohnmächtig.
Man muss, ob man will oder nicht, ihre Folgerungen annehmen und seine Glaubensansichten und Gewohnheiten danach richten.
